MW 070 einladung

BLAX : Schwarzes Actionkino der 70erJahre

MW 070 | Fr 20.10., Mi 25.10., Mi 01.11., Fr 03.11.2000, Atlantis Kino, Aachen

Filmübersicht : Soulfood Café

Schwarzes Actionkino der 70erJahre

"Ich komponierte die Filmmusik [für Shaft] 1971 und viel von dem was in den 60ern geschehen war, die Bürgerrechtsbewegung, Vietnam, und so weiter beeinflusste mich. Die Gesellschaft war zu der Zeit liberaler, man hatte mehr Freude. Ich wollte das die Stücke dies ausdrücken... "Soulsville" z.B. nahm Stellung zur sozialen Lage jener Zeit, weil es die Zustände in den Innenstädte beschrieb. Unglücklicherweise bestehen diese Zustände immer noch fort."
| Isaac Hayes über "Shaft" in: Martinez, Gerald u.a., What It Is... What It Was!, New York 1998, S. 152

Großstadtlegenden

Straßenlärm, New York; die Kamera fährt an den Anzeigetafeln von Kinos entlang, der Titel des Films wird in roten Buchstaben eingeblendet während die Titelmelodie einsetzt. In einen braunen Leder-Trenchcoat gekleidet tritt, unberührt vom Geschehen um ihn herum, eine Gestalt aus einer Unterführung ins Tageslicht - John Shaft!
| nach: Rauschert, Andreas. Original Players, Splatting Image. Berlin 12/1997 + 03/1998.

Hier beginnt "Blaxploitation" und "Shaft" ist die Blaupause des Genres. Wie bei der Mehrzahl der Filme, sind, abgesehen von den afro-amerikanischen Mitgliedern der Filmcrew und den Darstellern, allenfalls die Ausstattung, die Dialoge und die Filmmusik "schwarz". Die Handlung, meist ein Krimi oder eine Gangsterballade, folgt den vereinfachenden, auf den Helden zugeschnittenen, Erzählmustern des Action-Kinos. Die Filme wurden denn auch wegen der gezeigten schablonenhaften Rollenbilder vielfach kritisiert. Darius James, Autor eines lesenswerten Buchs zum Thema, bemerkt hierzu: "Wie jede andere Billig-Filmproduktion waren die Blaxploitation-Filme an eine bestimmte Gruppe von Kinogängern gerichtet. Die Absicht der Filmstudios war es zu unterhalten und Geld zu machen. Ganz im Gegensatz zur Meinung der bürgerlichen schwarzen Presse war Blaxploitation keine Verschwörung, um Afro-Amerikaner auszutricksen und zu unterwerfen. Amerika ist Ausbeutung für alle."
| Zitat (übersetzt) aus: James, Darius. Black Panther Party for Blaxploitation. Jungle World, Berlin 17.5.2000

Klar auch, das dieses afro-amerikanische Action-Kino ein leichtes Ziel für die Filmkritik war, aber warum Zeit an eine in die Tiefe gehende filmkritische Untersuchung von Filmen verschwenden, deren Reiz an ihrer Oberfläche klar zu Tage liegt, deren Gestus, deren ausgestelltes Lebensgefühl, deren angesagte Outfits, deren coole Dialoge, deren mitreissende Soundtracks uns auch heute noch packen. "... diese 70er Jahre-Filme hielten fest, was in der Mode, Politik und Musik geschah. Nicht alles davon ist positiv, aber diese Filme wirken fast wie Geschichtsunterricht, eine Dokumentation dieser Zeit."
| Pam Grier, zitiert nach Rauschert, Andreas, ebd.

Vorläufer

Zu Beginn der 70er war es für eine us-amerikanische Filmproduktion nicht mehr völlig ungewöhnlich farbige SchauspielerInnen in der Rolle von Anwälten oder Ärzten zu besetzten. Einen Afro-Amerikaner als Regisseur eines Spielfilms zu verpflichten hingegen war ungewöhnlich. Ein solcher war Ossie Davies. Er drehte 1970 für Metro-Goldwyn-Mayer den Film "Cotton comes to Harlem" nach dem gleichnamigen Roman von Chester Himes [Autor, Afro-Amerikaner und Wahl-Franzose. Seine sehr lesenswerten Kriminalromanen sind gleichzeitig Zeitdokument über das Leben in Harlem in den 60er Jahren.]. Der Erfolg der spannungsgeladenen Komödie an den Kinokassen zeigte, dass es ein Publikum für "Schwarze Filme" gab, und ein unabhängig von Hollywood hergestellter Film sollte dies eindrucksvoll unterstreichen.

Melvin Van Peebles "Sweet Sweetback's Baadasssss Song" von 1971 ist die Geschichte eines selbstbewußten Anti-Helden, der das "weisse System" herausfordert und gewinnt. Sweetback war ein Hit. Der Film veränderte das Rollenbild afro-amerikanischer Hauptdarsteller im Kino nachhaltig. Mit der treibenden Musik, ebenfalls geschrieben von Melvin van Peebles und eingespielt von Earth, Wind & Fire erhielt die Soulmusik Einzug in das sich entwickelnde Genre des schwarzen Action-Films.

Shaft

Folglich zeigte die nächste "schwarze" Metro-Goldwyn-Mayer Produktion, auch unter Einfluss des Erfolgs von Grossstadt-Krimis wie "The French Connection" [Was nicht überrascht, denn Drehbuch zu French Connection wurde wie danach das zu Shaft vom selben Autor, Ernest Tidyman, verfasst], dann einen farbigen Superhelden! "Shaft", der supercoole, männliche Privatdetektiv, der sich mit jedem anlegt, wurde zu einem Kassenschlager bei schwarzen wie bei weissen Kinogängern und für die Filmmusik erhielt Isaac Hayes einen Oscar. Regisseur Gordon Parks, in den 60er Jahren Fotograf für das Magazin "Life", sagt über den Film: "Es ist ein Filmvergnügen für den Samstagabend, das Leute besuchen, die den schwarzen Helden gewinnen sehen wollen."
| nach: Seeßlen, Georg.Detektive: Mord im Kino. Marburg 1998, S. 244.

Welche Bedeutung das "Schwarze" Kino für die Filmindustrie hatte, zeigt eine Titelgeschichte des us-amerikanischen Magazins Newsweek vom 23. Oktober 1972. Auf dem Umschlag ein Bild von Richard Roundtree alias John Shaft und die Überschrift, "Schwarze Filme: Wiedergeburt oder Ausverkauf?" und im Artikel war zu lesen: "In einer Industrie, die jährlich knapp über 200 Filme herstellt, sind ein Viertel aller in Planung befindlichen schwarz."

Superfly

In der Folge jedenfalls gab es schwarze Helden satt. Der bekanneste dürfte Ron O'Neal in "Superfly" sein, woran der aussergewöhnliche Soundtrack von Curtis Mayfield nicht geringen Anteil gehabt haben dürfte. Der von Farbigen produzierte und von Warner Bros. in die Kinos gebrachte Film bietet jede Menge zeitgemässe Ausstattung und einen unerbittlichen Helden in einer Geschichte über einen Drogenhändler, der nach einem letzten Deal aussteigen will. Zu keinem Augenblick wird die verwerfliche und ausbeutende Art seines Geschäfts beschönigt, jedoch als notwendiges Mittel des Überlebens im Grossstadtdschungel gezeigt.

Across 110th Street

"Across 110th Street", ein Gangster-Drama über das Scheitern dreier Farbiger, die der Mafia eine Menge Geld rauben, galt im Vergleich zu "Shaft" oder "Superfly" als zu hart und düster. Regisseur Barry Shear gelingt es jedoch die Geschichte packend und lebensnah umzusetzen. Das Titellied von J.J. Johnson und Bobby Womack, fand in "Jackie Brown", Quentin Tarantinos Hommage an den Blaxploitation-Film an ausgewählter Stelle Verwendung.

Slaughter

Den ersten "echten" Blaxploitation-Film, produzierte "American International Pictures", eine Filmgesellschaft, die sich einen Ruf für ihre billig und schnell hergestellten Filme erworben hatte, welche dem Zuschauer Mangels aufwendiger Kulissen jede Menge Gewalt, Sex und Action boten. [Darauf zielt der Begriff Blaxploitation, als Zusammenfassung von Black und Exploitation = Ausnutzung/Ausbeutung: der Zuschauer, des Genres, der Schauspieler] "Slaughter", ein Low Budget-Bond und Haudrauf, legt sich mit einem Syndikat an und rächt den Mord an seinen Eltern. An den Erfolg von "Shaft" anknüpfend, zielte der Film auf das junge afro-amerikanisches Publikum. Er wurde ein Kassenerfolg und AIP brachte in der Folge etliche Blaxploitation-Filme in die Kinos, unter denen sich Klassiker des Genres finden, unter anderem "Black Ceasar" [Ein Remake von: "Little Ceasar". USA 1930. Mit Edward G. Robinson.], "Blacula", der eine ganze Reihe von Blaxploitation-Horror-Filmen nach sich zog, und vor allem "Coffy", mit dem Engel der Rache Pam Grier in der Hauptrolle.

Coffy

"Coffy" machte Pam Grier zum weiblichen Star des Genres. Sie spielt hier eine Krankenschwester, die gnadenlos mit Gangstern und korrupten Politikern abrechnet, die ihre kleine Schwester an die Nadel gebracht haben. Pam Grier braucht kein Karate, sie zieht eine Knarre und bläst alles bei Seite was ihr im Weg steht. Regisseur Jack Hill beschreibt, wie er in einem Kino zwischen farbigem Publikum sitzt, die Leute aufspringen und an dem Punkt der Schlusszene als Coffy das Gewehr auf ihren Geliebten richtet, der zugleich ein Schurke ist, rufen: "Kill him, Kill him, don't listen to him."
| zitiert nach: Martinez, Gerald u.a. What It Is... What It Was! New York 1998, S. 138.

Mitte der 70er Jahre hatte das Genre sich totgelaufen, "nicht zuletzt deshalb, weil sich das jüngere schwarze Publikum anderen Genres zuwandte. Es begann der Boom der Kung Fu-Filme, die die Rachefabeln in eine fiktive Welt des asiatischen Kampfsports projizierten und so eine noch eskapistischere Funktion als die blaxploitation Filme hatten."
| Zitat: Hoffstadt, Stefan. Black Cinema. Marburg 1995, S. 59 u. 204.]

Und wir kehren zurück zu "Shaft", der uns wie Darius James sagt, in unterschiedliche Welten einführt: in die glatte Oberfläche des Hollywoodkinos "und in das musikalische Kraftfeld von Isaac Hayes, das die Phantasie schwarzer streetcorner storyteller elektrifizierte, dessen spätes Echo wir in den Samples von Rappern von Big Daddy Kane bis Snoop Doggie Dog hören können." [Darius James, ebd.] Vor allem den Gangsta-Rappern der Westküste ist die wachsende Aufmerksamkeit zu danken die "Blaxploitation" in den vergangenen Jahren erhalten hat. Und so ist hier noch der Film zu erwähnen von dem Ice-T einmal gesagt hat, er habe nur eine Videokopie eines Films im Videorekorder seines Autos und dies sei "The Mack"

The Mack

"The Mack" ist die Geschichte eines Zuhälters der auf seinem Weg an die Spitze gegen Gangsterbanden kämpft und die Bullen betrügt. Der Drehbuchautor Robert J. Poole war Zuhälter gewesen und um sich auf den Film vorzubereiten zog Regisseur Michael Campus vor den Aufnahmen für drei Monate zu den Ward Brüdern, einer Gang die damals das Prostitutions- und Drogengeschäft in Oakland kontrollierte. Das macht den Film aus - ehrliche Dialoge, funkige Filmmusik und ein unglaubliches Outfit - The Mack bietet alles, was von einem Blaxploitation-Film erwartet werden kann.

| 2w, Oktober 2000

Filmübersicht : Soulfood Café

Lesetipps
Des Themas wegen alle in Amerika erschienen und somit in englisch verfasst.

www.blaxploitation.com/st-intro.html
Vorzügliche Einführung, Filmlisten, Links...

Black Action Films. Hill, Geeorge H. Parish, James Robert. Jefferson, North Carolina 1989.
Das Nachschlagewerk mit Angaben zur Produktion, Besetzungsliste, kurzen Zusammenfassungen und zeitgenössischen Besprechungen zu 235 Filmen.

That's Blaxploitation. Roots of the Baadasssss 'tude (Rated X by an all-whyte jury). James, Darius. New York 1995.
Lockere, kenntnissreiche und umfassende Einführung in das Thema.

What it is... What it was! The black film explosion of the 70's in words and pictures. Martinez, Gerald. Martinez, Diana. Chavez, Andres. New York 1998.
Kommentare und Berichte von Zeitzeugen und Farbabbildungen zahlreicher Filmplakate. Filmindex.

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